Weserkurier, 6. Juni 2012
atelier havelblick: "Wider den bösen Blick" in der galerie mitte.
von Inken Steen
Er habe eine Ausstellung machen wollen, die keine Geschichte erzählt,
betont Roland Eckelt. Glücklicherweise ist ihm das gründlich misslungen.
Allein der Titel "Wider den bösen Blick" fordert nach Erzählungen. Dann
die Ausstellung selbst: Drei Positionen, die nichts miteinander zu tun
zu haben scheinen und erst recht der Hinweis, dass es sich hier um ein
Künstlerpaar handelt, das seit über zehn Jahren partizipatorische
Kunstprojekte zumeist im Havelland initiiert. Dies sind zu viele
Geschichten, die unbedingt zusammengebracht werden müssen.
Gabriele Konsor und Roland Eckelt haben früher in Bremen gelebt und
gearbeitet. Sie hat viel gezeichnet und wurde in den 90ern mit ihrem
Auracor-Projekt bekannt. Auch er hat interaktive Projekte ersonnen und
malt, wenn auch in aller Stille, immer noch. Gemeinsam betreiben sie das
atelier havelblick.
Weil aber ihre Bleistiftzeichnungen und seine Ölgemälde auch mal
betrachtet werden wollten, hat das Künstlerpaar einen Raum betreten, für
den sie überhaupt nicht mehr arbeiten.
Das Resultat ist zunächst ärgerlich. Nichts scheint unter ästhetischen
Maßstäben in der Galerie zusammenzupassen. An der Stirnseite ziehen
leuchtende Colliers auf schwarzem Grund den Blick magisch auf sich und
so tief ins Bild hinein, bis das diffuse Schwarz mit Figuren und
Schatten die Schmuckstücke als oberflächliche Lockvögel desavouiert.
Daneben erzählen zartrosafarbende Öffnungen von Lust und Scham, vom
pulsierenden Herzschlag fleischlicher Begierden und körperlichem Ekel.
Zugleich klingt die Sehnsucht nach Genie und Aura an, einer
Künstleridentität, von der sich Gabriele Konsor schon in den 90ern
verabschiedete, um sich ganz in den Dienst ihrer Agentur "Auracor" zu
stellen. So wie sie den über hundert Mäusen diente, die ihre Katze
totgebissen anschleppte. Deren Überleben sicherte Konsor in zarten
Bleistiftzeichnungen.
Statt der in Bremen bekannten "Flugmösen" wählte Eckelt, der die
Ausstellung auch kuratierte, vier großformatige farbige Ölgemäde,
allesamt "Kulturgut" betitelt, die Bikinislips oder Trauben, Schirme
oder Schlipse, Knöpfe oder Spuren und einen Leuchter zeigen, als wollte
er damit sagen, man hätte es auch ganz anders machen können.
So gelingt es dem Künstlerpaar selbst in dieser klassischen
Ausstellungssituation das Publikum zur Teilhabe herauszufordern, gerade
so als wäre es eines ihrer Projekte auf dem Land.
Vor allem aber werden nun in der galerie mitte viele Geschichten erzählt.
letzte Änderung: 18.6.2012 20:38